Ein Wolkenmeer von oben

Was für ein Start ins neue Jahr. Foto: Sarah Pallauf

Der 2. Jänner ist seit zwei Jahren traditionell mein Alleinwandertag, mit dem ich ins neue Jahr hineingehe. Letztes Jahr war es – von Steyr aus gut zu erreichen – die schneelose Forsteralm. Dieses Jahr ist es genauso schneelos, im Wiener Becken grauslig neblig und düster. Ins neue Jahr hineingehen kann man aber besonders gut bei Sonne und blauem Himmel, also checke ich schon Tage davor den Wetterbericht und erhoffe mir in der Semmeringgegend feines Wanderwetter.

Leider konnten wir innerhalb der nächsten 6 Tage keine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Bad Endorf zu dieser Tour für dich finden.

Die Kampalpe kenne ich bisher immer nur von Berichten, zum Beispiel jenem von Veronika. Ihr Foto mit dem Gipfelkreuz ist mir seitdem im Kopf geblieben und diese Neujahrswanderung ist eine feine Gelegenheit, endlich selbst auch auf der Kampalpe ganz oben zu stehen.

Also stehe ich am 2. Jänner schon um 8 Uhr in Wien Meidling am Bahnhof und erwarte den Zug Richtung Triest. Italien, das wäre ja auch was, sinniere ich. Aber für heute soll es doch die Kampalpe werden!

Triest wäre auch was. Foto: Sarah Pallauf
Triest wäre auch was. Foto: Sarah Pallauf

Die Fahrt ist wie alle Fahrten zum Semmering schön. Besonders schön ist es, in Wien und Wiener Neustadt noch in die Nebelsuppe zu blicken, kurz einzuschlafen und beim Aufwachen die ersten Sonnenstrahlen zu erhaschen. Auf den Semmering ist wirklich immer Verlass. Als ich aussteige, ist es hübsch kalt und windig, aber sonnig.

Nebelsuppe bei Wien. Foto: Sarah Pallauf
Nebelsuppe bei Wien. Foto: Sarah Pallauf

Raus aus dem Nebel

Mein Kopf braucht noch ein wenig Aufwärmzeit, ich schlage fälschlicherweise zuerst den Semmeringer Bahnwanderweg ein, zum Glück kommt mir das recht schnell komisch vor und ich drehe nochmals um. Hauptsache, es geht bergauf, dann muss es in diesem Fall stimmen. An den Tourismusschulen und dem stattlichen Hotel Panhans vorbei folge ich immer dem Wanderwegweiser Richtung Pinkenkogel. Beim Skigebiet Semmering-Zauberkogel ist es nochmals ganz seltsam düster, neblig, windig, voller Kunstschnee. Dennoch, je weiter ich bergan steige, umso heller und sonniger wird es.

Apokalypse am Zauberberg. Foto: Sarah Pallauf
Apokalypse am Zauberberg. Foto: Sarah Pallauf

Meine kluge Freundin S. und ihre Grödel

Da war doch was – die Grödel!

Kurz vor dem Pinkenkogel habe ich die Stimme meiner lieben Wanderfreundin S. im Ohr, die sagt „Also im Winter habe ich die Grödel einfach immer im Rucksack, zur Sicherheit.“ Damit hat sie sehr recht. Das vereiste Stück ist zwar nicht lang, mit normalen Wanderschuhen aber äußerst schwierig zu gehen. Ich verfluche mich hier zum ersten Mal, dass ich nicht so gescheit bin wie Freundin S., und tapse sehr unbeholfen vorwärts. Zum Glück ist die Schattenstelle mit dem Eis nur kurz und ich bin kurz darauf auf dem Pinkenkogel (1.290 Meter). Insgeheim hatte ich mir schon eine nette Jause im Pinkenkogel Schutzhaus vorgestellt, oder zumindest einen feinen Pausenplatz, bei dem ich meine Jause in der Sonne sitzend essen kann. Daraus wird nichts – das Schutzhaus ist wohl schon länger nicht mehr in Betrieb und noch dazu das Areal sehr weiträumig abgesperrt.

Schutzhaus Pinkenkogel – leider nicht sehr einladend. Foto: Sarah Pallauf
Schutzhaus Pinkenkogel – leider nicht sehr einladend. Foto: Sarah Pallauf

Ich finde keinen Platz und es pfeift der Wind um meine Ohren. Also verzichte ich auf die Pause und hole sie kurze Zeit später im Wald nach – nun kann ich mich schon nach den Wegweisern Richtung „Kampalpe / Mürzzuschlag“ richten.

Sonnenpause nach dem Pinkenkogel. Foto: Sarah Pallauf
Sonnenpause nach dem Pinkenkogel. Foto: Sarah Pallauf

Knieschonend auf die Kampalpe zu

Der Weg geht ganz unverwirrt und sehr hübsch im Wald weiter – zwar ohne große Ausblicke, dafür aber mit einer feinen Abwechslung an Bergauf- und Bergabstrecken. Genauso hat es mir meine Physiotherapeutin nach meinen letztjährigen Knieproblemen geraten. (Ich hoffe, sie liest hier mit.) 😊 In mir ist außerdem so ein Gefühl, dass ich – was den Ausblick angeht – noch auf meine Kosten kommen werde. Immer noch habe ich Veronikas Fotos vor Augen, das Wetter ist einfach perfekt, die Chance, auch so einen schönen Ausblick auf der Kampalpe zu sehen, ist also recht hoch.

Ich bin, wie immer, wenn ich alleine wandere, flott unterwegs. Schnell liegt die Ochnerhöhe hinter mir, am Kerschbaumkogel gehe ich etwas nördlich vorbei und dann stehe ich auch schon am nächsten vereisten Stück, ganz kurz vor der Kampalpe. Wieder fluche ich vor mich hin, dieses Mal packe ich zumindest die Wanderstöcke aus und sie helfen ein wenig. Wieder denke ich an meine kluge Freundin S., die immer ihre Grödel eingepackt hat. Gleich ein Neujahrsvorsatz – bei meinen nächsten Winterwanderungen mache ich das auch so. Ganz bestimmt!

Neujahr über dem Wolkenozean

Dann ist die Rutschpartie doch geschafft und ich gehe aufs Gipfelkreuz der Kampalpe (1.535 Meter) zu. Und ehrlich gesagt macht mich der Ausblick absolut sprachlos. Über mir klarer, blauer Himmel, tief unter mir zieht sich ein dichtes Wolkenmeer von Spital am Semmering nach Mürzzuschlag hinaus. Es ist, als ob man in ein sanftes, weiß-graues Meer blicken würde. Wunderschön!

Über dem Wolkenozean. Foto: Sarah Pallauf
Über dem Wolkenozean. Foto: Sarah Pallauf
Ganz schön schön ist es auf der Kampalpe. Foto: Sarah Pallauf
Ganz schön schön ist es auf der Kampalpe. Foto: Sarah Pallauf

Hier habe ich endlich meine Sonnenpause und genieße den Ausblick. Was für ein Start ins neue Jahr!

Was für ein Start ins neue Jahr. Foto: Sarah Pallauf
Was für ein Start ins neue Jahr. Foto: Sarah Pallauf

Die Qual der Wahl und der Sieg der Wanderlust

Ja, und wie geht’s jetzt weiter? Mein Plan hat nur bis hierher gereicht. Ich befrage die Wanderkarte nochmals, berechne verschiedene Routen. „Einfach nur“ nach Spital am Semmering hinunter erscheint mir zu kurz, es ist gerade erst kurz nach Mittag. Sehr fein wäre die Wanderung zum Preiner Gscheid fortzusetzen – leider gibt es den Bus von dort im Winter nicht und bis nach Prein an der Rax zu gehen erscheint mir zu weit. Die Große Scheibe kenne ich schon, dennoch zieht sie mich magisch an. Eine Wegzeitberechnung hält sie aber auch für zu weit weg.

Seufzend breche ich auf und schlage doch den Weg nach Spital ein. Nach 10 Minuten ist mein innerer Widerstand so groß, dass ich es aufgebe und umdrehe. Um 13 Uhr an einem so schönen Sonnentag ins düstere Wolkental hinabzusteigen ist einfach absolut unlogisch. Bis zur Scheibe schaffe ich es vielleicht nicht ganz, aber wenn es ab jetzt sportlich wird, sollte ich vor der Dunkelheit noch in Mürzzuschlag sein. Wann es dunkel wird, weiß ich nicht genau, aber 3, 4 Stunden werde ich schon haben. Also trabe ich wieder – die innere Wanderlust jubiliert, der Verstand hat so seine Zweifel – bergauf.

Damit geht’s ab jetzt flotter und mit weniger Fotostopps weiter – über den Windmantel und den Tratenkogel zum Beeralplkopf.

Der unscheinbare Tratenkogel. Foto: Sarah Pallauf
Der unscheinbare Tratenkogel. Foto: Sarah Pallauf

Bereits vorm Beeralplkopf muss ich mit etwas mulmigem Gefühl feststellen, dass es im Wald schon ganz schön düster ist. Die letzte Wegentscheidung des Tages ist also schnell gefällt – zur Großen Scheibe und der Hütte dort schaffe ich es einfach nicht mehr, 45 Minuten in eine Richtung sind an so einem Wintertag nicht mehr drin.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit nach Mürzzuschlag

Also schlage ich beim Beeralplkopf den Weg nach Mürzzuschlag ein und unterbiete die angegebene Wegzeit nochmals. Über ein paar fade Forststraßen-Serpentinen nähere ich mich Mürzzuschlag, den direkten Steig finde ich leider nicht immer. Wird die Beschilderung schlechter, die Dunkelheit stärker oder meine Konzentration schlechter? Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Dennoch treffe ich nach kurzem Suchen wieder auf den gewünschten Weg und mache im Hohlweg noch ein paar schöne Sonnenuntergangsaufnahmen.

Winterabendsonnenlichtspiele. Foto: Sarah Pallauf
Winterabendsonnenlichtspiele. Foto: Sarah Pallauf

Dann husche ich weiter bergab und bin auch bald in Mürzzuschlag. Über das Bahn zum Berg-Pickerl beim Parkplatz zur Scheibenhütte freue ich mich – und klebe gleich ein zweites dazu.

Abschied vom 821er in Mürzzuschlag. Foto: Sarah Pallauf
Abschied vom 821er in Mürzzuschlag. Foto: Sarah Pallauf
Abstieg ins abendliche Mürzzuschlag. Foto: Sarah Pallauf
Abstieg ins abendliche Mürzzuschlag. Foto: Sarah Pallauf

Der Bahnhof Mürzzuschlag wird immer noch umgebaut, insofern muss man der Straße unter den Gleisen hindurch folgen, um auf die Seite des Bahnhofsgebäudes und damit auf die Seite für die Züge Richtung Wien zu gelangen. Schon kommt der Railjet, schon sitze ich drinnen, esse meinen Porridge, lagere meine Füße hoch und bin sehr zufrieden mit meiner Neujahrswanderung.

Fazit

Die Kampalpe („Balkon erste Reihe“, so hat Veronika den atemberaubenden Aussichtspunkt dort getauft) hat mich ehrlich begeistert – auch wenn man von Semmering aus kommend diesen tollen Ausblick erst ganz am Ende hat. Dafür ist er umso beeindruckender. Die Tour kann man beliebig kürzen (und zum Beispiel von Spital am Semmering starten oder dorthin zurückgehen) oder auch verlängern, wie eben zum Beispiel zur Großen Scheibe oder (sofern der Bus fährt) zum Preiner Gscheid. Nicht nur als Winterwanderung, sondern sicher auch im Frühjahr oder Herbst sehr empfehlenswert.

Tipp:
Genügend Jause und Wasser einpacken – auf meiner Wanderung gab es keine einzige Einkehrgelegenheit und auch keine Quelle!

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   7:00 Std Wandern   1.000 HM   1.200 HM   21 km   GPX Track

Ein Kommentar

  1. Bei mir war es auch Liebe auf den ersten Blick! Das Gipfelplatzerl ist ein ganz besonderer Ort! Danke für die tolle Beschreibung deiner Tour! Ich kann auch nachvollziehen, dass du nicht wieder absteigen wolltest!

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