Oft war ich schon in Mallnitz. Es ist seit dem Bau der Tauerbahn ein „Mekka der ÖFFI-Touren Fans“. Für heute plane ich, gleich vom Bahnhof ins Gelände zu gehen, ohne lange Talwege oder Taxi-Fahrten in eines der drei großen Täler (Tauerntal, Seebachtal, Dösental). Auernig (2.130 Meter), Törlköpfe (2.446 Meter), vielleicht sogar Maresenspitze rufen!
Wieder einmal nimmt mich der Frühzug (6:12) in sein warmes, angenehmes Wohnzimmer auf. Ich habe es fast für mich allein, nehme mein Buch – es ist ja noch dunkel draußen – und mache zusätzlich eine Reise im Kopf.
Im Gasteinertal blicke ich aus dem Fenster: wenig Schnee am vorletzten Tag des Jahres. Irgendwie weiß man (ich) nicht, welche Ausrüstung für Touren zu dieser Jahreszeit bei diesen Verhältnissen passt: Ski wohl nicht, die sind zu Hause geblieben; Schneeschuhe und Snow-Spikes sowie Skistöcke sind dabei.
So lange war ich nicht in Mallnitz, dass ich die Baustelle gar nicht mitbekommen habe, die diesen alten Bahnhof nun barrierefrei (Lift!) gemacht hat: wie erfreulich!
Auf den Auernig
Es ist nicht leicht, auf die Ostseite der Gleistrasse zu gelangen, wo nach der Landkarte der Einstieg zum Weg auf den Auernig zu finden ist. Ein GPX-Treck über die Gleise kommt wohl nicht so gut… also: Die Zufahrt zur Autoverladung entlang, zu einer Unterführung und auf der anderen Seite wieder zurück.
Die AV-Karte weist mir einen Zugweg aus, der zum markierten Steig führt. Daher entgeht mir vermutlich der Hinweis, den ich dann erst oben finde…
Der durch den Steilhang angelegte Weg ist erreicht: nichts wie hinauf im trockenen, schneefreien Wald. Doch da:
Ende der Durchsage…
Eine Tafel lässt darauf schließen, dass hier einst gepflegte Wanderwege den Berg erschlossen hatten.
Stürme und Schneebruch haben den Wald arg zugerichtet, die Ressourcen, dies aufzuarbeiten, sind offenbar seit Jahren nicht vorhanden… Vorboten der Verwahrlosung alpiner Infrastruktur im Zuge der Klimaerhitzung…
Nachdenklich stelle ich mich darauf ein, hilfreichen Hirschspuren zu folgen: In bewährter Zusammenarbeit von Mensch und Tier gelingt die Herausbildung von Steigen…
Mit Hilfe einer Linie auf meiner App finde ich den Zwoadwieskopf.
Das Gelände wird flacher, der Wald lichter – und damit liegt endlich mehr Schnee. Ich bin passend ausgerüstet.
Hie und da breche ich durch den Harsch in haltlose, grießlige Becherkristalle. Das Beobachten des Geländes und des Sonneneinfalls sowie abermals Wildspuren helfen, die Schritte sicher und kraftsparend zu setzen.
Am abgeblasenen Gipfelgrat des Auernig pausieren die Schneeschuhe wieder; Windstille, Sonne, prachtvolle Aussicht, Hochgefühl, „Bahn zum Berg“ am Gipfelkreuz mit Blick zum Gamskarlspitz (Titelfoto).
Weiter zu den Törlköpfen
Eine Stunde später, es ist knapp nach Mittag, habe ich – wieder mit Schneeschuhen – den höchsten der Törlköpfe erreicht. Die Maresenspitze verhüllt sich.
Das wird heute nichts mehr, sage ich zu mir, verzichte auf den Fast-3.000er, und raste in meinem sonnigen Adlerhorst.
„Wie geht es dir? Ich werde um 14 Uhr in Mallnitz sein. Lass dir aber Zeit.“ Guter Handyempfang; Meine Frau fährt von Kärnten Richtung Salzburg.
Abstieg über die Wolliggerhütte nach Mallnitz
Ich beende meine Gipfelrast und mache mich durch das weite, zum Skifahren ideal geneigte Kar auf Richtung Wirtshaus Wolliggerhütte. Wie flott sich mit Schneeschuhen absteigen lässt!
Der Herzog-Steig ist eine Wanderer- und Schneeschuhspur. Irgendwie beruhigend, dass es außer mir auch Menschen gibt, die den Winter – auch wenn er sich ungewöhnlich (Zukunfts-gewöhnlich?) zeigt – in den Bergen zu schätzen wissen. Beim Abstieg zum Mallnitzer Bahnhof hilft die AV-Karte nur bedingt: „fremde“ Forststraßen und Wege… Wieder ist die blaue Linie auf meiner App hilfreicher als die eingezeichneten bzw. eben nicht eingezeichneten Wege.
Als ich 10 Minuten vor 14 Uhr oberhalb des Bahnhofs stehe, lehne ich mich an einen Felsen und nehme die letzten Sonnenstrahlen des Bergjahres 2022 dankbar in mich auf. Der Bahnhof liegt schon im Schatten.
Im Zug nach Salzburg ist ein reservierter Platz, dessen „Besitzer“ ihn nicht besitzt, meine Chance, wenigstens in der Nähe meiner überraschten und erfreuten Frau die Heimreise (diesmal mehr schlafend als lesend) anzutreten.
Der kurze Zugang vom Bahnhof (die Abkürzung über die Gleise bleibt dem Gewissen des Einzelnen überlassen) hat wahrlich Seltenheitswert. Um sich den unangenehmen Mühen des weglosen Steilaufstiegs zu entziehen, kann man den Weg über den Auernigboden – Hirschboden wählen, der vermutlich passierbar und freigeschnitten ist – oder gleich über die Wolliggerhütte aufsteigen. Schade, dass sämtliche mir (am Handy) zugängliche Landkarten bezüglich Wegen und Forststraßen nur sehr bedingt valide sind.