Diese herrliche Skitour von Trins über den Eggerberg nach Gries am Brenner ist Tag 3 der Wipptaler Winterdurchquerung. Du kannst sie aber auch alleinstehend und unabhängig davon machen.
Wir treffen uns am Bahnhof in Matrei am Brenner. Angenehm, wenn Pünktlichkeit auf beiden Seiten zu finden ist: Bei der Gruppe (Susanne, Thomas, Anna, einer Bekannten von Thomas, die ab heute mit von der Partie ist, Thomas, unser Guide und ich) und bei der Bahn, die uns um 09:06 Uhr aufnimmt und nach Steinach am Brenner bringt. Auch die Skier sollen ein gemütliches Plätzchen bekommen.
Im Bus 4146 nach Trins reisen u.a. auch Langlaufskier in Vierbeiner-Begleitung mit. Die Haltestelle „Trins Gemeindeamt“, die uns noch von unserem gestrigen Laufschritt kennt, können wir heute gemächlich durch den Ort Richtung Talboden verlassen.
Bei einem kleinen Skilift schnallen wir an. Es braucht lange, bis das Knirschen des Schnees, der „Gesang“ der Felle auf dem windverzierten Harsch und das aufgeregte Gezwitscher der Vögel die Beschallung, die aus dem Lifthäuschen kommt, überwiegt. Auf flachen Wiesen geht es an den Waldrand.
Thomas, unser heutiger Führer, hat gestern noch den besten Weg ausgekundschaftet. „Wenn ich mit einer schwächeren Gruppe unterwegs bin, gehe ich gleich auf der Forststraße“, sagt er, als wir, Spitzkehre für Spitzkehre zwischen dicht stehenden Bäumen an Höhe gewinnen, einen Stacheldrahtzaun an passender Stelle überwinden und schließlich am aperen Weg die Skier schultern.
Das gemütliche Nebeneinandergehen ermöglicht einen anregenden Austausch. Knapp bevor die am Rücken getragene Last zu drücken beginnt, bietet sich uns ein Schlag für den Weiterweg an.
Bald kommen wir in einen Graben, der wiederum saubere Spitzkehren erfordert. Sonne und Schatten spielen mit dem welligen Gelände. Die Gespräche verstummen. Jede/r kann seinen eigenen Gedanken nachhängen. Die mächtigen Lärchen, die seit Jahrhunderten treu ihren Platz einnehmen, rücken die Zeithorizonte des eigenen Lebens zurecht…
Unversehens verflacht sich das Gelände, der Wald lichtet sich. Wir blicken auf eine riesige, wellige Alm: das perfekte Skitourengelände.
Leichten Schrittes geht es bergan. Aus dem „Gänsemarsch“ kann hier wieder ein nebeneinander Gehen werden und es bleiben genug Luft und Aufmerksamkeit für Gespräche übrig.
Unversehens unterhalte ich mich mit einer in die Jahre gekommenen Heuhütte. Sie stammt aus einer anderen Zeit, in der Balken nicht mit Nägeln, sondern mit langen Holzdübeln (ist das der korrekte Ausdruck?) verbunden wurden, um die Öffnung für die rahmenden Latten, zwischen die Bretter als „Tür“ geschoben werden können, zu stabilisieren. Stürme haben begonnen, die mit Steinen beschwerten Schindeln zu zerzausen. Flechten bevölkern die Stirnseite des Holzes. Die Hütte wird offenbar nicht mehr gebraucht, gehört zum „alten Eisen“. In ein paar Jahren wird das Dach einstürzen. Ein wirrer Haufen von dahinmodernden Balken wird noch viele Jahre dem, der es hören möchte, von längst vergangenen Mühen und Freuden erzählen… Warum trete ich an einem sonnigen Tag in solche Gespräche ein? Weil heute Aschermittwoch ist?
Thomas führt unsere Gruppe dem Gipfelhang entgegen. Die Serles und die gestrige Kesselspitze mit Kalbenjoch winken immer wieder herüber. Eine kleine Fichte will dem Tiroler Wappenadler Konkurrenz machen, was ihr auch ansatzweise gelingt.
Eggerberg
Die Felsen beim letzten Aufschwung zum Gipfel des Eggerbergs (2280m) bieten noch einen Hingucker, werden rechts umgangen und das Gipfelkreuz kommt in Sicht. Thomas, unser Guide, wartet auf mich. Wir stehen nebeneinander, von drüben grüßt „sein“ Olperer, den er mittlerweile 70mal bestiegen hat. „Es ist schön, dass aus einer Bahnbekanntschaft nun ein richtiger Berggipfel geworden ist“, sagt er. Ein Moment für die Schatzkiste des Lebens, der Stille erfordert.
Wir schauen in die Runde: Die Winterdurchquerung liegt vor und hinter uns: dort die Serles mit der Kesselspitze, und hier der morgige Sattelberg. „Hinter dem Sattelberg die Lawinenverbauungen schützen den Brenner, und der flache Gipfel links daneben ist die Flatschspitze (2566m), der Gipfel für den Freitag“, erklärt uns Thomas.
Ohne Rast, nach der obligaten „Umrüst-Pause“ (Felle und Tourenschuhe müssen sich in den Abfahrtsmodus begeben) geht es talwärts. Bei 20 cm Pulver oder bei Firn wäre dies ein Schwingen ohne Ende in angenehm geneigtem, prachtvollem Skigelände.
Auch wir erwischen noch die eine oder andere feine Mulde – und gegen das Tal zu beginnt es aufzufirnen, bis wir zu guter Letzt die steile Wiese unter einer der eindrucksvollen Brückenkonstruktion der A13, die eben auch als Wahrzeichen des Wipptals bezeichnet werden müsste, zu Fuß hinunterstapfen.
Am Ortseingang von Gries am Brenner lauschen wir dem an einen Herzschlag erinnernden Geräusch einer Säge: Die alten Lärchen machen sich auf ihrer letzte (oder vorletzte?) Reise, um nun als Bretter den Menschen zu dienen.
Der Bahnhof von Gries liegt oberhalb des Ortes. Bei diesem letzten Anstieg kommt uns ein Einheimischer entgegen. Er spricht uns, die wir mit Skiern auf den Schultern und lärmenden Skischuhen an den Füßen auffällige Gestalten sind, an: „Wart´s am Sattelberg?“ „Nein, wir sind von Trins herüber gekommen.“ – „Was von Trins kann man da herüber? Ihr seids wilde Hund!“ – sagt er anerkennend und (das hat sich also auch schon bei betagten Wipptalern durchgesetzt) hebt den Daumen zum „Like“.
Wir steigen, nach einigen Minuten des Wartens, in die S3 und sind knapp 15 Minuten später (14:54 Uhr) zurück im Parkhotel Matrei. Like!
Tourdaten
Resumee
Diese dritte Etappe ist gänzlich mit ÖFFIS zu machen. Die Wegstrecken durch die Ortschaften (Trins und Gries) sind kurz und in der Gruppe kurzweilig. Das Tourengelände ist meist sanft geneigt und weitläufig. Wer sich Zeit zum Rasten nehmen will, wird schöne Plätze (an sonnenwarmen Almhüttenwänden) finden.