Ich bin definitiv kein Morgenmensch, aber genauso definitiv ein Wandermensch. Das stellt mich grad im Winter regelmäßig vor die Herausforderung: Ausschlafen oder Wandern gehen? Es imponiert mir sehr, wenn Wanderer*innen von Zugverbindungen um 6.05 ab Meidling sprechen und am späten Vormittag schon auf einer Hütte Tee trinken. Ich schaff das allerdings nicht.
Darum der recht simple Anspruch an diese Tour: Sie soll Langschläfer*innen entgegenkommen (auch im Winter!) und trotzdem aussichtsreich sein. Außerdem bin ich ganz besonders erfreut, wenn ich Touren finde, die auch für die bunte Wandergruppe meiner Begegnungsinitiative dunya – Lebenswelten in Begegnung guten passen.
In einer meiner vielen Wandernetzwerke habe ich Bilder vom Türkensturz in Seebenstein gesehen und war sofort begeistert. Die Bucklige Welt kenn ich so gar nicht – die Entscheidung auf eine gemütliche Winterrunde in Seebenstein war also schnell gefällt.
Wir nehmen den Railjet ab Wien Meidling um 10.58 (wie angenehm!), steigen in Wiener Neustadt in Regionalzug Richtung Aspang um und sind um 11.59 bereits in Seebenstein. Wer mag, kann natürlich früher starten, diese Verbindung gibt’s an Samstagen ab 6.58 stündlich. Eine Stunde Anreise, das kann sich sehen lassen.
Kekse für alle
In Seebenstein erwartet uns tiefster Winter inklusive Sonne – was für ein Genuss! Wir folgen dem Weg Richtung „Naturpark Seebenstein“ (sofort am Bahnhof angeschrieben) und spazieren durch den liebevoll dekorierten Ort. Kurz nach der Brücke über den Fluss Pitten macht die Hauptstraße eine sanfte Linkskurve, an der rechten Straßenseite befindet sich ein Automat mit allerlei Leckereien – von Müsliriegel über Getränke bis zu Hundeleckerlis. Mein Mann findet, dass die Kekse und die Hundekekse sich erschreckend ähnlich sehen und hat gleich mal Angst, das Falsche auszuwählen. So manche Langschläfer*innen können sich also hier noch ihre Jause organisieren.
In eben dieser Rechtskurve zweigen auch allerlei Wander- und Spazierwege nach rechts in den Naturpark hinein ab. Hier kann man schon auswählen und eigentlich nichts falsch machen. Der Schlossweg allerdings führt nicht zum Türkensturz, also nehmen wir den Weg oberhalb, in den Wald hinein.
Der Absturz der Osmanen
Der Weg geht nun eine gute Stunde lang immer sanft ansteigend im Wald nach oben, eine Frau kommt uns hochmotiviert auf Skiern entgegen. Wir merken, dass das Gehen im flauschigen Neuschnee schön, aber durchaus auch anstrengend ist. Bei der ersten richtigen größeren Weggabelung, an der eine Hütte steht, könnte man rechts zur Einsiedlerinhöhle gehen, links weiter in den Wald hinein (das wird unser Rückweg). Wir aber nehmen den Pfad geradeaus weiter, noch ein Stück bergauf und stehen – plötzlich auf einem steil abfallenden Felsen hoch über dem Ort: dem Türkensturz. Der Legende nach sind osmanische Soldaten im 16. Jahrhundert an dieser Stelle zu Tode gestürzt – warum genau, darum ranken sich verschiedene Geschichten. Ein Mädchen sei den Reitern erschienen und als sie ihr nachritten, stürzten sie in den Abgrund, das ist nur eine der Erklärungen. Legendenfans können sich auf Wikipedia schlau machen.
Wir sind ganz begeistert – dass wir so hoch über dem Ort stehen, hätten wir nicht gedacht. Da der Hinweg zwar stetig, aber recht gemächlich ansteigt, merkt man die Höhenmeter kaum. Der Ausblick auf den Ort und die Berge und „Buckel“ der Umgebung ist ganz fantastisch und das Abstürzen des osmanischen Heeres stellen wir uns angesichts der steilen Felsen ganz schön gruslig vor. Die Ruine am Türkensturz ist zwar künstlich, aber trotzdem ein tolles Fotomotiv. Und weil so ein schöner Samstag ist, legen wir uns gleich noch in die Wintersonne und machen eine Porridge-Pause.
Auf der Wanderkarte sehen wir allerlei Höhlen, die wir allerdings auf die Schnelle nicht finden. Zu viel suchen und herumkraxeln wollen wir angesichts der Schneelage und des Sonnenstandes auch wieder nicht, also machen wir uns auf den Rückweg zur besagten Hütte und der Weggabelung. Dort nehmen wir diesmal den Weg nach rechts weiter in den Wald hinein, nach circa 400 Metern geht er scharf links leicht bergauf, hier ist der „Sollgraben“ schon angeschrieben.
Auch im Sollgraben ist alles wunderschön verschneit und wir gönnen uns einige Fotopausen. Wenn man in die kleine Siedlung im Sollgraben kommt, geht der Weg im 90Grad-Winkel nach links leicht bergauf, an schönen Winterwiesen vorbei und wieder in den Wald hinein. Eine Familie mit Kindern begegnet uns, alle mit ganz roten Wangen und jederzeit bereit für die nächste Schneeballschlacht.
Abstecher fürs nächste Mal: Burg Seebenstein
Kurz bevor wir den Naturpark verlassen, stehen wir dann ganz unverhofft auch noch direkt vor der Burg Seebenstein, die man bisher nur am Beginn der Tour kurz gesehen hat. Auch sie sieht interessant aus – wenn Besichtigungen wieder möglich sind, ist das sicher ein feiner Abstecher zum Schluss. Von der Burg aus folgt man der Forststraße und dann dem bereits bekannten Spazierweg wieder bergab ins Zentrum Seebenstein. Die letzten 10 Minuten laufen wir, um den Zug um 16.00 zu erwischen und nicht eine Stunde auf den nächsten warten zu müssen.
Fazit
Eine wirklich schöne und empfehlenswerte Tour – für Menschen, die gerne gemütlich frühstücken, bevor sie aufbrechen. Die dennoch in die Natur und „raus aus der Stadt“ wollen und sich eine gemütliche Wanderung ohne allzu anstrengende Steigungen und ohne langer Anreise wünschen. Dass das alles kein Widerspruch ist, weiß ich seit dieser Langschläfer*innentour in Seebenstein. ☺ Wärmste Empfehlung!
Ich war ja sehr gespannt welche Uhrzeit unser neuer, automatischer Fahrplantipp zu deiner Tour ausgeben wird. Es gibt ja mehrere Regeln die dieser Automatismus berücksichtigt. Manche davon widersprechen sich natürlich teilweise. Es wird z.B. darauf Wert gelegt, dass es mehrere Rückfahroptionen gibt. Damit das möglich ist, wird wenn möglich früher losgefahren. In diesem Fall lautet die Empfehlung in Wien erst um 9:05 loszufahren – was meiner Meinung nach zum „Langschlafer:innen“-Titel passt. 🙂
Lieber Martin,
was „Langschläfer:innen“ sind, ist natürlich Ansichtssache. 🙂 Für uns war die Option um 11 ab Meidling weitaus angenehmer, aber auch mit der Zuugle-Empfehlung um 9 Uhr kann ich leben, in diesem Fall ist es dann eher eine Mittellangschläfer:innentour! Hab euer Fahrplantool offensichtlich vor eine nicht ganz einfache Aufgabe gestellt 🙂 Liebe Grüße!