Zwei Drittel mit dem E-Bike, ein Drittel zu Fuß – diese Aufteilung der Höhenmeter ergibt eine herrliche Tour in Dorfgastein, die auch kurze Tage mit langanhaltenden Erinnerungen aus dem Fluss der Zeit heraushebt.
E-Bike
11.11.22. Kalt und neblig ist es am vertrauten Bahnhof in Dorfgastein. Wer an Schultagen um 9:22 Uhr ankommt, braucht nur den lauten, fröhlichen Kinderstimmen nachzugehen, um ins Zentrum des Ortes zu finden: Offenbar ist „große Pause“ in der Volksschule. Buben und Mädchen tollen unter den Bäumen herum und bemerken den Fremdling kaum, der mit Rucksack und in Bergschuhen dem Sporthaus am Fuße der Fulseckbahn zustrebt. Wenig später sitze ich auf dem motorisierten Drahtesel, fahre ein kleines Stück bergauf, am Schwimmbad vorbei über die Brücke, und hinunter zur Hauptstraße. Ein paar Meter talauswärts weist mir der Pfeil „Unterberg“ den Weg über die Gasteiner Ache und die Bahn. Wieder rechts, bis zum „Holzlagerplatz“. Dort beginnt die MTB-Strecke „Präau Hochalm“.
Kalt ist es, und kalt bleibt es noch die nächsten 200 Höhenmetern im grauen Nebel. Ich gönne mir die stärkste Unterstützung meines je nach Tretfrequenz tiefer oder heller singenden E-Motors. Doch dann ereignet sich das, was den Wandernden stets verzaubert: Als gäbe es auf unserer Erde zwei Welten begibst Du Dich aus dem Schatten und den Trugbildern in die Wahrheit und ins Licht…
Die letzten 300 Höhenmeter wandelt sich der Forstweg in eine Almstraße, die das Können des Fahrers und die Kräfte des Sportgeräts deutlich mehr fordert: Das macht richtig Spaß! Ältere Herrn sind doch ganz schön technikverliebt, gestehe ich mir ein.
Verträumt liegt die Präau Hochalm vor mir. Mild hat die fahle Sonne die alten Lärchenbohlen gewärmt.
Es ist windstill. Verstohlen fallen Tropfen geschmolzenen Schnees von der Dachrinne. Eigentlich schade, dass sich so wenige Menschen an späten und kurzen Herbsttagen hier von dieser milden Pracht umarmen lassen. Aber gehört die tiefe Einsamkeit nicht vielleicht ebenso zu der ganz besonderen Farbe jener Tage, wie das Weiß des Schnees in der Höhe, die brennenden Lärchen und die eine oder andere Preiselbeere mit ihrem intensiven Aroma, die sich willig den pflückenden Fingern ergibt?
Hike
Von der Alm gäbe es mehrere Optionen, die meine Landkarte allerdings nicht erkennen lässt, die nur den Weg auf den Tagkopf (2.085 Meter) als markiert ausweist, und hier nur eine Variante.
Markierte Holzpflöcke weisen nämlich auch aus dem breiten, flachen Sattel direkt über den Westhang bergan.
Ich gehe über den höchsten Punkt zum Gipfelkreuz, das so postiert ist, dass man – unbeschadet des Blicks in die Glocknergruppe – besonders gut ins Tal sieht.
Am Kamm geht es nach Norden. Das unebene Gelände ist im verharschten Schnee etwas unangenehm; hin und wieder breche ich bis zur halben Wade ein.
Durch Lärchenwald
geht es zurück zum Sattel (knapp 200 Höhenmeter Gegenanstieg) und zurück zur Almhütte. Dort setze ich mich und sammle wie die Feldmaus Frederick die späten Sonnenstrahlen als Vorrat für den Winter…
Ein merkwürdiges Sausen und gurrende Geräusche, die ich beide nicht deuten kann, lassen mein Auge suchend umherschweifen. Da entdecke ich in einiger Entfernung und vielleicht einen Kilometer über mir einen riesigen Vogelschwarm. Er sammelt sich, verdichtet sich, macht eine Runde, um dann in Richtung Süden mein Gesichtsfeld zu verlassen. Eigenartig berührt und verbunden bin ich mit diesen Lauten, diesem Gespräch im Himmel über mir: Verabschieden sich da gut 200 Vögel dankbar von einen Land, das ihnen Herberge war und das sie vielleicht nie wieder sehen werden, um nun ungewiss aufzubrechen in ein anderes Land, das sie – wenn überhaupt – erst nach größten Entbehrungen erreichen werden, als einzigen Proviant die Hoffnung und die Sehnsucht im notwendigerweise leichten Reisegepäck?
Mit dem E-Bike zurück nach Dorfgastein
In zwanzig Minuten bin ich wieder im Tal. Wie schön die Bremsen singen, und wie gut sie ansprechen – technikverliebt! Im Sportgeschäft teilt Patrick meine Begeisterung, ergänzt sie mit eigenen Erfahrungen: Heute ist das Rad etwas schmutzig geworden, der Forstweg war feucht, meine ich. Das halten unsere Räder schon aus, lächelt er.
Im Laufschritt, fast hätte ich mich verplaudert, geht es – durch den nun ruhigen Ort; die Schule ist längst vorbei – zum Bahnhof (14:37 Uhr).
Mit Hilfe des E-Bikes kann man nach ca. 1 Stunde Bergfahrt das weite Almgebiet um die Präau Hochalm erwandern. An längeren Tagen wird auch eine Runde über die Mooseckhöhe und das Wetterkreuz lohnend sein. Wer sich „Technikverliebtheit“ leisten und mit Naturerfahrung verbinden will, ist hier bestens aufgehoben. Für die Schönheit gefrorener Lacken in den tief eingeschnittenen Wegen ist wohl der Herbst die beste Jahreszeit.