Untersberg

Blick zum Hirschanger, rechts der Hirschangerkopf. Foto: Karl Plohovich

Der Wanderer (es ist die „Wanderin“ mitgemeint), der Dopplersteig und Reitsteig bereits mehrmals absolviert und genossen hat, der vielleicht des einen oder anderen Samstags oder Sonntags eine ruhigere Route ersehnt: jener wird auf der Landkarte nach Alternativen suchen. Vielleicht wird er die punktierten Steige der ÖK erforschen wollen. Aus meiner Erfahrung will ich ihn/sie unterstützen. „Wozu in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nahe“ – von Bayerisch Gmain (oder gar von Salzburg) aus.

Wer den Bus für die Anreise dem Rad vorzieht, der wird mit Linie 180 nach Großgmain aufbrechen und beim Steinerwirt in Hinterreit aussteigen.

Wanderung auf dem Untersberg

Dann kann der Wanderer die ebene Wiese Richtung Latschenwirt durchstreifen, zunächst noch auf Asphalt. Vom Gasthaus führt ein Forstweg durch ein kleines Tälchen nach Westen zum Weiler „Bruchhäusl“. Knapp vor der Waldandacht, nach einer gepflegten Kneipp-Anlage (die er sich für nach der Tour vormerken könnte) zweigt eine Forststraße nach links ab. Wer mit dem (E-)Rad von Salzburg anreist, wird hier sein Fahrzeug parken (circa 1 Stunde bis hierher).

Nun geht es die Forststraße hinan; bald wird diese eben und es zweigt ein Ast nach rechts zu einer riesigen Wildfütterung ab. Der Wanderer wird aber, sich links haltend, einige Schritte weiter gehen und den rechten Rand des Fahrweges aufmerksam im Auge behalten. Wegspuren werden ihn in den Wald leiten, vielleicht findet er auch Steine auf Baumstrünken (schlimmstenfalls muss er dem GPX-Track folgen). Die Steigspuren werden ihn durch den lichten Hochwald weiterleiten, in den Fahrrillen des Harvesters (zu Deutsch: Holzvollernter) der letzten Durchforstung bergan. Doch dann – welch Freude – wird er auf einen alten Zugweg stoßen, der punktiert in der ÖK seine Spuren hinterlassen hat.

Der schöne Weg. Foto: Karl Plohovich
Der schöne Weg. Foto: Karl Plohovich

Er wird diesem Weg folgen (vielleicht freut er sich über das sanfte Gefälle, welches die Erbauer ihrem Werk zugemessen haben), bis dieser Weg von der neuen Forststraße abgedrängt wird. Nun wird er dieser Forststraße folgen. Vielleicht, wenn er neugierig ist, wird er die Anschlussstelle dieses alten Weges jenseits der neuen Forststraße suchen und diese auch in etwa gegenüber des zweiten Hochstandes, den er am rechten Straßenrand passiert, finden. „Hier werde ich herunterkommen, so Gott will!“ wird er zu sich sagen – und auf der Straße weiter gehen, im Schatten des frühen Tages. 

An manchen Stellen wird der Wald zurücktreten und der Blick wird frei in die weite Ebene bis in Deutsche Lande schweifen. 

Blick über Großgmain zum Staufen. Foto: Karl Plohovich
Blick über Großgmain zum Staufen. Foto: Karl Plohovich

Genau im Knie der Forststraße, an ihrem westlichsten Zipfel (auf der Landkarte kann man sehen, dass die Staatsgrenze nur mehr wenige Meter entfernt ist), wird der Kundige das geradeaus führende Steiglein benutzen. Wie wird er staunen, nach wenigen Metern auf einen von unten (von Hallturm her) kommenden, guten Steig zu stoßen. In vielen Kehren und Kurven führt dieses Steiglein bergan. Die Stimmen der Vögel werden ihn begleiten (leider auch das Rauschen und Brummen des Verkehrs, dessen Lärm die Hänge herauf kriecht). „Tatsächlich, da hat jemand (wer? wann?) Stufen in den Felsen gehauen!“ 

In den Fels geschlagene Stufen am Weg über die Fadererschneid. Foto: Karl Plohovich
In den Fels geschlagene Stufen am Weg über die Fadererschneid. Foto: Karl Plohovich

Nach etwa einer und einer halben Stunde wird unser Wanderer (oder, wie gesagt, unsere Wanderin) plötzlich und unvermittelt vor einer kleinen Hütte stehen. Vielleicht ist dort schon jemand, der diesen Rastplatz genießt. Es könnte sein, dass sie nun Geschichten austauschen, von Schmugglern, die einst hier ihrem Erwerb nachgegangen sind und denen das Handwerkt zu legen diese Diensthütte dienen sollte. 

Die Diensthütte. Foto: Karl Plohovich
Die Diensthütte. Foto: Karl Plohovich

Dieser Rücken, oder vielleicht doch besser: Grat wird Fadererschneid genannt. Direkt über diese Schneid verläuft der weitere Weg. Ein Felsenfenster und der Blick zum Watzmann können wohl als besondere Attraktion gelten. 

Blick zum Watzmann über dem Felsenfenster. Foto: Karl Plohovich
Blick zum Watzmann über dem Felsenfenster. Foto: Karl Plohovich

Steile Passagen werden weiterleiten, bis es wieder flacher wird. Hier wendet sich der Steig dann vom Grat weg nach links und wird die Vierkaseralm erreichen. Unser Wanderer aber ist im späten April oder frühen Mai unterwegs. Schon beginnen die Schneefelder und die mitgetragenen Schneeschuhe kommen zum Einsatz: nun ist das Reich „wegloser Freiheit“ erreicht: nicht Steigspuren oder Markierungen geben die Richtung vor, sondern einzig die Nase und die Sehnsucht. Die Stapfen und Eindrücke der Skistöcke im schon weichen Firn werden sich nach Herzenslust zwischen Bäumen und Latschen dahinschlängeln, bis sich schließlich der weite Hirschanger mit seiner Ruhe einladen darbietet. Sicher gibt es hier Spuren von anderen Genießern, und die eine oder andere Stimme von jenen, die auf dem markierten Steig vom Bruchhäusl hiergekommen sind, wird sich vernehmen lassen. (Titelbild)

Der gut 20 oder 30 Meter hohe Gipfelaufbau des Hirschangerkopfes könnte ob seiner Steilheit eine – vielleicht von links her doch recht bequem zu überwindende – Schwierigkeit darstellen. Doch der Blick vom Gipfelkreuz wird sich lohnen, und auch der Großglockner wird, gleichsam an den Hundstod, Watzmanns Nachbarn, geschmiegt, dem Staunenden seine Aufwartung machen. 

Hundstod mit Großglockner. Foto: Karl Plohovich
Hundstod mit Großglockner. Foto: Karl Plohovich

Es könnte sein, dass dieser Gipfel schon besucht ist, oder dass die dort immer aktiven Ameisen eine Rast wenig ratsam erscheinen lassen. Der Wandere, der mit dem Schnee, den Dohlen, den Latschen, mit sich selbst (und vielleicht mit seinem Gott) allein sein will wird seine Schritte – wieder ganz nach Belieben – über Schneebahnen zwischen Latschen hindurch auf den Ochsenkopf (übrigens einige Meter höher als der Hirschangerkopf) lenken. Hier wird er im Winter – und vielleicht noch mehr im Sommer – die gewünschte, oder ihm eben gerade heute angenehme Einsamkeit finden. (Ohne hilfreichen Schnee ist wohl eine „Latschenschlüpferei“ zu vermuten.)

Gipfelkreuz am Ochsenkopf. Foto: Karl Plohovich
Gipfelkreuz am Ochsenkopf. Foto: Karl Plohovich

War die Rast, das Schauen, Ruhen und Staunen lange genug, wird der Wanderer den Ruf des Roverkreuzes auf der Vierkaseralm vernehmen und sich, leicht links haltend, damit es für die Schneeschuhe nicht zu steil wird, auf den Weg machen und sehr bald von jenem Kreuz aus auf Salzburg schauen. Eine kleine Tafel, die ihn gemahnt, dass er auf einem Friedhof („Pax Natura“) steht, mag ihn zu merkwürdigen Gedanken einladen. Vielleicht wird er sich ob der Ruhe und dem Blick in die Weite der Überlegung hingeben, ob dies nicht auch für ihn ein angemessenes Plätzchen wäre, wenn seine Zeit (wann wird es sein?) gekommen ist… Doch dann könnte in ihm aufsteigen, dass die Hochbetagten, die von ihm Abschied nehmen wollen, mit dem Hubschrauber zur vereinbarten Stunde hier eintreffen werden (was ich einmal beobachten konnte/musste). So unser Wanderer dem Geist von Bahn-zum-Berg nahe steht, wird er konkretere Überlegungen nun tunlichst unterlassen.

Vierkaseralm mit Roverkreuz, heute ein Pax-Natura-Friedhof. Foto: Karl Plohovich
Vierkaseralm mit Roverkreuz, heute ein Pax-Natura-Friedhof. Foto: Karl Plohovich

Die kleine, neue, vom Holztechnikum Kuchl errichtete Hütte mit ihrem, von der Hirschangerquelle gespeisten, Wassertrog bietet einen idealen Platz zum Rasten. 

Die kleine Hütte auf der Alm. Foto: Karl Plohovich
Die kleine Hütte auf der Alm. Foto: Karl Plohovich

Die Steigspuren des Abstiegs führen nun gerade über die Hütte und werden zu einem Weglein, dem es aufmerksam zu folgen gilt. Vielleicht sind es nicht einmal 10 Minuten, bis diese Spur, sich nach rechts wendend, einen steilen Hang quert. Dies ist wohl die unangenehmste Stelle der ganzen Tour. „Wie gut, dass ich nicht frühmorgens, als der Schnee noch hart war, von unten her hier stand: ich hätte mich nach Steigeisen und Pickel gesehnt!“ – könnte unser Wanderer sinnieren. 

Der steile Hang, der gequert wird. Foto: Karl Plohovich
Der steile Hang, der gequert wird. Foto: Karl Plohovich

Rasch führt das Weglein bergab, um zu einem Aussichtsbalkon mit großer Jagdhütte zu leiten. (Auch das Häuschen mit dem bewussten Herzen ist nicht weit.) Rechts neben der Hütte – die Ohren haben es schon vernommen – gibt es unter einer Edelstahlplatte die Möglichkeit, die Wasservorräte ein letztes Mal aufzufüllen. Kann sich unser Wanderer noch nicht trennen, wird er die Wiese für ein Schläfchen nützen.

Das Jagdsteiglein führt nun waagrecht von der Hütte nach rechts und in vielen Serpentinen bergab. Bald wird man ein Gefühl für das wunderbar gleichmäßige Gefälle bekommen. Man wird auf eine Forststraße stoßen, dem Weglein aber weiter folgen. Unser Wanderer (oder unsere Wanderin) wird nun schon routiniert sein im Erspähen der hilfreichen Steinmänner und verblassenden blauen Punkte. 

Nach einer langen, ebenen Linkstraverse wird man eine Suhle entdecken, ein ebenes Fleckchen mit der einen oder anderen großen Lacke. Das trübe Wasser könnte verraten, dass sich hier vor kurzem ein Reh oder gar ein Hirsch gelabt haben. 

Wasserstelle für WaldbewohnerInnen. Foto: Karl Plohovich
Wasserstelle für WaldbewohnerInnen. Foto: Karl Plohovich

Nach der Landkarte würde der punktierte Weg nun über die Schneise führen, die eine Lawine (Februar/März 2009) gerissen hat. Die neue Trassierung leitet den Wanderer jedoch steiler hinab. Die bewussten Baumstumpf-Steinmännchen weisen verlässlich den Weg.

Typischer Steinmann. Foto: Karl Plohovich
Typischer Steinmann. Foto: Karl Plohovich

Bis man wieder den alten Jagdsteig erreicht und erleichtert dem angenehmen Gefälle folgt, bis man bei jenem Jägerstand, dem man bereits des Morgens passiert hat, die Forststraße betritt. 

Nun weiß der Wanderer die Runde vollendet. Wenn er die Tour zu einem Neuner (oder Sechser) vollendet haben wird (und vielleicht die Füße in der Kneippanlage – er wird dies gemeinsam mit Kindern und Senioren tun – gekühlt haben wird), wird seine Erinnerung an vielen stillen Stunden und malerischen Blicken Halt und Nahrung finden.

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   6:00 Std Schneeschuh   1.200 HM   1.200 HM   10 km   GPX Track

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