Lang, still, lohnend, sehenswert – Silvretta West

„Biancograt für sehr Arme“ zum Westlichen Plattenspitz, rechts dahinter die markante schlanke Pyramide des Groß-Seehorns, links dahinter der spitze Großlitzner, und rechts davon das doppelgipfelige Klein-Seehorn. Foto: Manfred Hinteregger

…famose Skitour mit zwei Gipfeln und Winterraum-Übernachtung auf der Tübinger Hütte.

Während anderswo in der Silvretta AV-Hütten mit 180 Schlafplätzen, WLAN und warmen Duschen aufwarten und rundherum für dementsprechende Frequenz sorgen, kann man ganz im Westen dieser großartigen Gebirgsgruppe feine, wunderbar einsame Skitourentage erleben. Das i-Tüpferl war bei unserem Besuch ein prächtiges Gipfelpanorama, das in ganz Österreich wohl seinesgleichen sucht.

Tag 1Gargellen Schafbergbahn – Hinterberg – Tübinger Hütte11 km+1300 hm/-500 hmca. 5,5 Stunden
Tag 2Tübinger Hütte – Westlicher Plattenspitz – Gaschurn Versettlabahn Talstation16 km+800 hm/-2.000 hmca. 6 Stunden

Vom Fernverkehrs-Bahnhof Bludenz geht es zunächst mit der „Muntafunrbaa“ nach Schruns, der ÖV-Mobilitätsdrehscheibe im Montafon. Im Zug wird gleich einmal aufgefellt. In Schruns gäbe es die praktische Möglichkeit, im Einkaufszentrum direkt neben dem Bahnhof noch fehlende Lebensmittel oder Ausrüstung zu besorgen. In unserem Fall wird es aber einfach ein gemütlicher Besuch in der Bäckerei nebenan.

Jaaaa, so ein Frühstück beim Bahnhofs-Bäck macht Freude! Foto: Manfred Hinteregger
Jaaaa, so ein Frühstück beim Bahnhofs-Bäck macht Freude! Foto: Manfred Hinteregger

Der Montafoner Landbus der Linie 670 bringt uns dann in einer guten halben Stunde hinauf ins Gargellner Tal bis zur Endstation Gargellen Schafbergbahn. Gargellen ist nicht zuletzt aufgrund seiner Seehöhe auf rund 1.400 Metern ein wunderbarer Ausgangspunkt für Skitouren. Hier ist auch der Übergang vom Rätikon (westlich) zur Silvretta (östlich).

Los geht’s bei der Bushaltestelle Gargellen Schafbergbahn. Foto: Manfred Hinteregger
Los geht’s bei der Bushaltestelle Gargellen Schafbergbahn. Foto: Manfred Hinteregger

Aufstieg zum Hinterberg

Von der Bushaltestelle sind es knapp 100 Meter, bis wir mit den Skiern losgehen können. Wir gehen zunächst ein kurzes Stück die flache Skipiste entlang, kommen dann zu einem Schlepplift, dem wir aufwärts folgen und queren dann kurz vor der Bergstation nach links (also östlich), um ins Vergalda-Tal zu kommen. Am Anfang gehen wir ein kurzes Stück durch einen Wald, der sich dann vom Talboden auf die Hänge zurückzieht und allmählich öffnet sich der Blick auf das Vergalda-Tal. Nach gut 1 ½ Stunden haben wir die Alpe Vergalda auf 1.800 Metern erreicht, wo wir kurz Pause machen.

Es geht weiter ins Vergalda-Tal hinein, das sich ordentlich in die Länge zieht – dank der landschaftlichen Eindrücke an diesem sonnigen, windstillen Tag ist die Länge aber durchaus erträglich.

Schließlich wird es steiler, es kommt der Aufschwung zum Hinterbergjoch. Beim Blick zurück tun sich bereits schöne Blicke in den Rätikon auf.

Rückblick ins Vergalda-Tal. Im Hintergrund die Drei Türme und die Sulzfluh im Rätikon. Foto: Manfred Hinteregger
Rückblick ins Vergalda-Tal. Im Hintergrund die Drei Türme und die Sulzfluh im Rätikon. Foto: Manfred Hinteregger
Dem Mitterberg kehren wir zugunsten des Hinterbergs den Rücken zu. Foto: Manfred Hinteregger
Dem Mitterberg kehren wir zugunsten des Hinterbergs den Rücken zu. Foto: Manfred Hinteregger

Zu guter Letzt ist noch etwas Anstrengung für den Gipfelaufschwung auf den Hinterberg geboten – nach knapp 4 Stunden sind wir dann oben auf 2.682 Metern. Das Panorama ist wahrlich eindrücklich – wird aber vom morgigen noch deutlich übertroffen werden, weshalb ich mir hier eine Beschreibung erspare. Wir machen am Hinterberg eine ausgiebige Gipfelrast. Insgesamt sind wir inklusive Gipfel knapp 10 anderen Leuten begegnet.

Vom Gipfel haben wir auch einen Blick in den Kessel des Garnera-Talschlusses und zur Tübinger Hütte sowie auf unseren Idealgipfel für den morgigen Tag – den Westlichen Plattenspitz. Mit dem Fernglas können wir Spuren um die Hütte sehen – was uns vermuten lässt, dass bereits wer dort ist.

Blick vom Hinterberg ins obere Garneratal und seine Gipfel. Fotos: Manfred Hinteregger
Blick vom Hinterberg ins obere Garneratal und seine Gipfel. Fotos: Manfred Hinteregger

Abfahrt zur Tübinger Hütte

Wir fahren gut erholt und beflügelt vom Gipfel ab – zunächst zum Hinterbergjoch bei wenig genussvollem Schnee, vom Joch hinunter gibt es dann immerhin ein paar Freude bringende Schwünge.

Abfahrt vom Hinterbergjoch ins Garneratal. Foto: Manfred Hinteregger
Abfahrt vom Hinterbergjoch ins Garneratal. Foto: Manfred Hinteregger

Der Talboden ist rasch erreicht, wo wir uns dann durch eine Schnee-/Steinlandschaft etwas durchwühlen. Spuren erleichtern uns aber die Wegfindung. Zum Schluss ist dann etwas Gegenanstieg vonnöten, den wir aber im „Langlaufstil“ ohne Auffellen bewältigen.

Die Tübinger Hütte auf 2.191 Metern hat einen stets offenen Winterraum mit 12 Plätzen im Matratzenlager im Obergeschoß, Holzofen, elektrischem Licht und Trockentoilette. Es können keine Reservierungen vorgenommen werden – laut den Eintragungen im Hüttenbuch scheint das auch nicht notwendig zu sein…

Als wir am Nachmittag, nach insgesamt gut 5 ½ Stunden an diesem Tag ankommen, ist doch niemand auf der Hütte. Kurze Zeit später treffen aber zwei Bayern ein, die vom Vermuntstausee gestartet sind (mit Seilbahn und Tunnelbus) und an diesem Tag schon am Westlichen Plattenspitz waren – unserem Gipfelziel für morgen. Wir kommen ausgiebig ins Reden mit den sympathischen Burschen und machen uns gemeinsam daran, den Ofen einzuheizen. Es dauert doch ein wenig, bis es in der Bude warm wird. Dann wird langsam aufgekocht und die Stunden vergehen schnell. Hinweis: bei (mehreren) Gruppen könnte es mit Kochgeschirr und –utensilien knapp werden.

Reichlich gesättigt und zufrieden sind wir alle vier schon vor der „Hüttenruhe um 22 Uhr“ im Bett.

Im wohligen Winterraum der Tübinger Hütte. Fotos: Manfred Hinteregger

Aufstieg zum Westlichen Plattenspitz

Kurz vor 7 Uhr gehen wir am nächsten Tag los. Da wir nach dem Gipfel ja wieder zurück kommen, können wir inzwischen alles in der Hütte lassen, was für den Gipfel und die Abfahrt nicht benötigt wird. Ein komplett wolkenloser Himmel empfängt uns an diesem Morgen, die Stimmung ist fein.

Wir müssen zunächst von der Hütte auf das Plattenjoch, das auf 2.728 Metern an der Staatsgrenze zur Schweiz liegt.

Der übliche Skiaufstieg folgt nicht dem Sommerweg, sondern man macht kurz nach der Hütte eine Abzweigung nach links (Osten) und dann einen Bogen auf die sogenannte Schwabenplatte und über das Skijoch (in der AV-Karte eingezeichnet; in der BEV- oder der Kompass-Karte wird die Schwabenplatte hingegen weiter westlich verortet und das Skijoch gar nicht). Wir können praktischerweise wieder den bereits vorhandenen Spuren folgen…

Nordseitiger Schattenaufstieg zum Plattenjoch. Rechts im Hintergrund die Rote Wand. Foto: Manfred Hinteregger
Nordseitiger Schattenaufstieg zum Plattenjoch. Rechts im Hintergrund die Rote Wand. Foto: Manfred Hinteregger

… und erreichen dann das Kar, in dem sich der (letzte Rest vom) Plattengletscher befindet.

Wir noch im Schatten, der Westliche Plattenspitz schon in der Sonne. Foto: Manfred Hinteregger
Wir noch im Schatten, der Westliche Plattenspitz schon in der Sonne. Foto: Manfred Hinteregger

Nach rund 1 ½ Stunden haben wir das Plattenjoch erreicht, wo wir von der strahlenden Morgensonne und einem Prachtblick auf den Großlitzner und die Seehörner mit dem darunter liegenden Seegletscher empfangen werden!

Vom Plattenjoch sind es nur mehr rund 150 Höhenmeter bis zum Gipfel, dabei wird auf der Graubündner Südseite aufgestiegen. Es wird zunehmend steiler und ausgesetzter, die Harscheisen sind für uns obligat. Als es zu „lästig“ wird, machen wir ein Skidepot und gehen mit Stöcken und Grödeln weiter.

Variante/Hinweis: Je nach Verhältnissen und alpiner Erfahrung könnte auch bereits das Plattenjoch das Tagesziel sein – ein wahrlich lohnendes, sei dazugesagt ­– oder es sind möglicherweise für den Gipfel Steigeisen und Pickel geboten!

Nach einem kurzen Aufschwung erreichen wir eine Art Rinne, die dann in genussvoller leichter Kletterei (I) auf den befirnten Gipfelgrat und schließlich den Gipfel des Westlichen Plattenspitz auf 2.883 Metern führt (ca. 2 ½ Stunden von der Hütte).

„Biancograt für sehr Arme“ zum Westlichen Plattenspitz, rechts dahinter die markante schlanke Pyramide des Groß-Seehorns, links dahinter der spitze Großlitzner, und rechts davon das doppelgipfelige Klein-Seehorn. Foto: Manfred Hinteregger
„Biancograt für sehr Arme“ zum Westlichen Plattenspitz, rechts dahinter die markante schlanke Pyramide des Groß-Seehorns, links dahinter der spitze Großlitzner, und rechts davon das doppelgipfelige Klein-Seehorn. Foto: Manfred Hinteregger

Das Panorama, das uns hier erwartet, ist für mich eines der schönsten, die ich in den Ostalpen bislang erlebt habe. Auch in den einschlägigen Büchern wird davon geschrieben, hier exemplarisch in aufsteigender Dramaturgie wiedergegeben:

  • Der Silvretta-Alpenvereinsführer schreibt in der typisch nüchternen AVF-Art: „Rundsicht: Hervorragend!“
  • Der Panico-Skitourenführer Silvretta meint, dass der Westliche Plattenspitz „im Winter zu Unrecht selten“ bestiegen werde. 
  • Und der Alpinschriftsteller Walter Pause schwärmte vom schönen „[B]lick auf Groß-Litzner und Groß-Seehorn, eines der eindrucksvollsten Gipfelpaare der Alpen. […] Auf der […] Plattenspitze weitet sich die Aussicht zum gewaltigen Panorama über Ost- und Westalpen.“

Nicht zuletzt dank Prachtwetter an diesem Vormittag gibt es für uns jedenfalls wirklich ein unvergleichliches Traumpanorama. In „näherer“ Umgebung ragen neben den schon genannten z.B. der Piz Linard, die Fluchthörner (Silvretta), der Patteriol und die Kuchenspitze (Verwall), die Rote Wand (Lechquellengebirge), die Sulzfluh, die Drei Türme, die Schesaplana und die Zimba (Rätikon) hervor, in „zweiter Reihe“ z.B. die Weißkugel, Verpeil- und Watzespitze (Ötztaler Alpen), die Bernina, der Piz Kesch und der Tödi, und im Hintergrund ist sogar die stolze Pyramide des Finsteraarhorns im Berner Oberland zu sehen!

Traumpanorama vom Westlichen Plattenspitz. Foto: Manfred Hinteregger
Traumpanorama vom Westlichen Plattenspitz. Foto: Manfred Hinteregger
Blick Richtung Verwall. Foto: Manfred Hinteregger
Blick Richtung Verwall. Foto: Manfred Hinteregger
… und ins Garneratal sowie zur Roten Wand. Foto: Manfred Hinteregger
… und ins Garneratal sowie zur Roten Wand. Foto: Manfred Hinteregger
In der Vergrößerung das Finsteraarhorn im Berner Oberland (genau über dem Steinhaufen). Foto: Manfred Hinteregger
In der Vergrößerung das Finsteraarhorn im Berner Oberland (genau über dem Steinhaufen). Foto: Manfred Hinteregger

Wir verweilen wieder ausgiebig bei Sonnenschein und Windstille am Gipfel, aber irgendwann geht’s dann doch wieder hinunter.

Gipfelfreude und Abstieg vom Westlichen Plattenspitz. Fotos: Manfred Hinteregger

Abfahrt ins Garneratal

Nach dem Skidepot ist für die ersten Schwünge Vorsicht geboten, dann geht es flott traversierend zum Plattenjoch und von dort über die Direttissima zur Hütte. Die Schneeverhältnisse waren sehr durchwachsen, aber wenn es da einen feinen Pulverschnee hat, muss diese nordseitige Abfahrt vom Plattenjoch ein unglaublicher Genuss sein.

In der Hütte gibt es eine kurze Jausenpause, dann wird eingepackt, sauber gemacht und schließlich machen wir uns an die Abfahrt ins Garneratal. Dazu müssen wir aber zuerst ein Stück Richtung (Süd-)Westen marschieren, von wo wir gestern hergekommen sind, direkt von der Hütte hinunter fährt nur die Materialseilbahn…

Und dann geht’s ab ins Garneratal (auf Bündner Seite erfolgt die Schreibung „Carnäira“). Der Talboden ist flott erreicht, dort geht’s am Anfang auch noch zügig dahin, aber es folgen auch einige Kilometer an „nordischer Kombination“.

Im Garneratal. Fotos: Manfred Hinteregger

Das Garneratal gilt als typisches Trogtal, wie es im geomorphologischen Lehrbuch stehen könnte: vom Montafon ausgehend gibt es zunächst einen steilen Aufschwung über gut 300 Höhenmeter, dann folgt ein lang gezogener, relativ flacher Abschnitt über gut 6 Kilometer, und schließlich geht es in einem ausgedehnten Kar bis zu rund 900 Höhenmeter wieder steil hinauf bis zum umrahmenden Gipfelkamm. Für uns gilt die Gegenrichtung, wobei wir am Schluss leicht modifizieren:

Am Vortag hatten wir am Hinterberg-Gipfel von einem einheimischen Pärchen den Tipp bekommen, aufgrund des wenigen Schnees nicht direkt hinunter nach Gaschurn zu fahren bzw. zu gehen, sondern hinüber ins Skigebiet der Versettla-Bahnen zu queren und dort dann die Piste abzufahren. Von einer einheimischen Wanderin, der wir begegnen, wird dieser Tipp nochmals bekräftigt – sie kann uns auch dankenswerterweise den besten Weg zum Queren zeigen, da wir ihr genau zum richtigen Zeitpunkt in der Nähe der Abzweigung begegnen. Zunächst folgen wir ca. auf einer Höhe von 1.550 Meter ziemlich genau dem in den Karten verzeichneten Sommerweg, um zur Forststraße zu gelangen. Dort müssen wir auffellen und auch ein paar ganz kurze apere Abschnitte ohne Ski gehen. Auch dieser ¾ Kilometer ist bald geschafft und es geht eine Fortstraße hinab. Nach zwei letzten kurzen Trageabschnitten können wir endgültig im Abfahrtsmodus bleiben und es geht die Piste flott hinunter zur Talstation der Versettlabahn I, die nach rund 6 Stunden an diesem Tag erreicht ist. Die Bushaltestelle Gaschurn Versettlabahn Talstation ist gleich unterhalb des Lifts. Von dort bringt uns der Montafoner Landbus der Linie 650 in einer halben Stunde zum Bahnhof in Schruns (am Wochenende grundsätzlich Halbstundentakt, tlw. dichter, Stand Wintersaison 2024/25).

Vom Bahnhof in Schruns mit Zimba-Blick nach Bludenz. Foto: Manfred Hinteregger
Vom Bahnhof in Schruns mit Zimba-Blick nach Bludenz. Foto: Manfred Hinteregger

Von Schruns geht es ebenso im Halbstundentakt nach Bludenz und für uns von dort mit vielen schönen Eindrücken erfüllt weiter Richtung Arlberg.

Fazit

Eine famose Tour mit weitgehender Berg-Einsamkeit, Prachtpanoramen, wunderbarem Winterraum und großartigen landschaftlichen Eindrücken! Bei feinen Schneeverhältnissen sicher noch mehr Abfahrtsvergnügen – andererseits braucht es hier auch wirklich gnädige Lawinenverhältnisse (wir hatten sowohl in Vorarlberg als auch auf Bündner Seite an beiden Tagen einen glatten 1er). Für bequeme Abfahrts-Aficionados eher wenig geeignet. Den zumindest halbwegs versierten, ganzheitlichen Skitourengeherinnen und –gehern mit einem gewissen Biss bietet diese Tour hingegen ein hohes Potenzial für viele Freudenmomente.

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   2 Tage Skitour   2.100 HM   2.500 HM   27 km   GPX Track

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