In schneearmen Wintermonaten nicht (nur) jammern! Denn Schneeschuh-Wanderungen müssen Skitouren – abgesehen vom möglichen Abfahrtsvergnügen – in nichts nachstehen. Hier berichte ich von einer 17 Kilometer langen Überschreitung in der Osterhorngruppe, die zu jeder Jahreszeit möglich ist. Im Winter allerdings fallen Forststraßen-Passagen nicht langweilig, sondern u.U. angenehm auf.
Die Anreise ist super entspannt.

Im RJ nach Graz ist viel Platz. In Golling Abtenau bleiben allerdings nur drei (!) Minuten zum Umsteigen: Ich laufe durch die Unterführung und dann gleich rechts zur Bushaltestelle. Bus 470 fährt auch schon ein und auch schon wieder ab (Hätte er bei einer Minute Verspätung gewartet?). Zu den wenigen Fahrgästen gesellt sich ein Herr meines Alters mit Tourenskiern hinzu. „Ich fahre hinauf nach Russbach, da gibt es eine Pisten-Skiroute. Ideal mit dem Klimaticket.“ – Wir plaudern ein wenig.
Aufmerksam verfolge ich die Anzeige der Stationen, damit ich das „Wegmacherhaus“ nicht verpasse. 9 Uhr: Ich springe aus dem Bus in den Schneehaufen am Straßenrand, warte bis der Bus die Haltestellenbucht wieder verlässt, überquere die Straße, wandere über die Lammer-Brücke und durch die Häusergruppe an einer Kapelle vorbei nach Pichl.

Nun geht es die Forststraße am Aubach entlang, mächtige Eiswände zur rechten. Die Brücke über den Aubach besteht nur aus zwei massiven H-Trägern. Hinübergehen? Kurz höre ich in mich hinein. Da steht mein rechter Fuß auch schon auf dem Strahlenkranz, der Tiere (oder Menschen?) vom Betreten der Brücke abhalten soll. Das linke Bein schwingt sich herum…

Schließlich gehe ich in den H-Profilen bequem ans andere Ufer: das kleine Abenteuer ist gelungen! (Wer – aus welchen Gründen immer – dieses Abenteuer scheut, muss die Straßenbrücke weiter hinten im Tal benützen und am Forstweg auf der anderen Bachseite wieder zurückgehen.
Der punktierte Steig (ÖK) ist gut zu finden und schön zu gehen, hie und da etwas verwachsen.

Bald bin ich in der Sonne und erreiche die verträumte Salzgföllalm (offene Hütte, die vorwiegend als Lager für Zaunständer genutzt wird, circa 920 Meter); erster richtiger Schneekontakt, und erste – schon „verwitternde“ – Spuren, doch noch kein Grund, die Schneeschuhe anzulegen.

Diese kommen erst ab der Forststraße an die Schuhe, die alsbald vom markierten Weg (2x) tangiert wird.

Je näher man der Alpbichlhütte kommt, desto mehr ist der Weg durch Wind- und Schneebruch verlegt, der bislang nicht aufgearbeitet wurde.

Nun wird das Gelände so richtig schön und weit:

Die winterliche Alpbichlalm gewährt freies Ausschreiten mit den Schneeschuhen. Trinkpause am Waldrand – Sonne, Wärme, Weite…

Unschwer lässt sich erkennen, wo der Steig auf den Hochbühel in den steilen Wald führt; besser wieder ohne Schneeschuhe; und dann, oberhalb des Waldes, wäre ohne Schneeschuhe kein Fortkommen mehr.
Der Hochbühel, 1.710 Meter, hat kein Gipfelkreuz, sondern nur einen Wegweiser.

Zunächst geht es über die Almwiese ein Stückchen bergab, und dann?

Östlich (rechts) der Gratkante zum Hochwieskopf sieht es am besten aus. Im tiefen Schnee (Lee) stapfe ich dem markanten Felshorn zu, lasse mich dann nach dem Sattel zu früh in die linke Flanke abdrängen, steige wieder zum Grat empor bis an die Felsen. Dort erst gibt es einen Durchschlupf

auf die sonnig-apere Westseite und unter der Felswand weiter zu tief verschneiten Latschenfeldern. Die Wegsuche gelingt: da vorne sind Skispuren, wohl vom Wochenende. Zwei oder drei haben dem Hochwieskopf einen Besuch abgestattet.
Über das flache Gelände,

die Schneequalität lässt kaum Trauer über fehlende Skier aufkommen, erreiche ich mit großen, freien Schritten nach vier Stunden die Hochwiesalm (13 Uhr). Das „Gesicht“ der Hütte ist so einladend nach Süden ausgerichtet, dass mir die Skispuren, von denen keine einzige eine Rast erkennen lässt, gänzlich unverständlich bleiben.

Meine Spur pausiert hier – für gut eine Stunde: In die Stille lauschen, essen, Mittagsschläfchen; die Seele weitet sich… (Titelfoto: Hochwieskopf – Hochwiesalm im Rückblick)
Nun kommen die ersten Gedanken an die Heimreise: um 16:11 Uhr oder 17:11 Uhr fährt der kleine Bus von Lämmerbach…
Die Skispuren (Aufstieg und Abfahrt) wenden sich dem Ackersbachtal zu. Mich zieht es Richtung Genneralm. Der Hangneigungs-Layer (Alpenvereinaktiv-App) gibt mir Anweisungen, wie ich durch den tiefen Schnee im Wald am besten zum „Pfarrersteig“ hinüber und hinunter finde: 30-35° ist noch o.k., steiler soll es dann doch nicht werden…

Die Etappe durch das, von Lawinen und Hangbewegungen zum Säbelwuchs gezwungene Buchen- und Erlenwäldchen im tiefen Schnee (hier kommt die Sonne noch nicht hin) stellt das Gespür für den besten Weg auf eine harte Probe: Wer will sich schon mit Klettereien im verschneiten Gestrüpp herumschlagen? Hier gehört wohl einmal richtig ausgeschnitten!

Dennoch: nach bereits einer Stunde erreiche ich über die bequeme Forststraße die ersten Hütten der Genneralm: OK, ich kann den Bus um 16:11 Uhr anpeilen.

Wie erwartet gibt es hier ein dichtes Netz an Skispuren: alle versuchen ein passendes Plätzchen für ein paar schöne Schwünge zu ergattern.
Zum Abstieg – zunächst verabschiede ich mich von der Sonne, es geht ins schattige Tal – wähle ich meist den Weg, nicht die Straße. Dieser ist allerdings kotig, und dann wieder eisig.

Zur Busstation muss man noch ein Stück die Asphaltstraße gehen. Die 10 Minuten Wartezeit nütze ich, um im Bach den Kot von meinen Schneeschuhen abzuwaschen.

Der kleine Bus (157) nach Faistenau stellt sich als mein Privattaxi heraus, mit Privatchauffeurin. Im Bus 150 nach Salzburg packe ich den Rest meiner Jause aus. Das mir gegenüber sitzende Mädchen nimmt vertrauensvoll eine meiner halbierten Zuckerkarotten an und bedankt sich beim Aussteigen nochmal dafür.
Die schönen Begegnungen in den Öffis waren der einzige Kontakt mit Menschen. Die gesamte Wanderung war ich an diesem 20. Jänner, an dem auf der anderen Seite der Erde ein alter Mann durch ein merkwürdiges Schicksal eine verantwortungslos große Verantwortung übernahm, mit mir, meinen Gedanken, den Bäumen, dem Schnee, den Almhütten, der Sonne und dem Schatten allein.
Besonders der erste Teil dieser Überschreitung verspricht wohl zu jeder Jahreszeit viel Stille. Der Bereich der Genneralm hingegen ist sehr beliebt. Für Schneeschuh-Erfahrene bei gutem Wetter eine lange, prachtvolle Unternehmung; nichts für Anfänger.
[…] Wie vor einer Woche geht es über die Lammerbrücke nach Pichl … […]