Das neue E-Bike will getestet werden; das Wetter an diesem Julitag soll trocken und sonnig bleiben; ich habe frei; im Internet finde ich nur spärliche Informationen: Dies sind die Zutaten für eine ÖFFI – e-bike&hike – Tour im Gasteinertal.
Bitte beachten: Fahrradstellplätze in Zügen sind begrenzt und im Fernverkehr reservierungspflichtig!
Eine leere S3, die ich mir um 6:30 Uhr erwarte, sieht anders aus: Der Radbereich ist bereits mit Scootern und Rädern voll, als sich am Bhf. Salzburg Aigen die Türen für mich öffnen. In Hallein steigen die meisten aus, nun kann ich das Bike fixieren und mich setzen. In Lend steige ich aus. Bequem versenkt und hebt der Aufzug uns beide, mein Rad und mich. Der Bahnhofsvorplatz liegt in einem für mich unübersichtlichen Industriegelände. Wie finde ich von hier auf den Radweg ins Gasteinertal? Probeweise fahre ich ein kleines Stück nach Westen, dann über die Salzach-Brücke, und wieder ein paar Meter nach Westen; nun eine 180° Kurve und mein E-Bike kann auf der steilen Bergstraße zeigen, was in ihm steckt. Unter den Straßenbrücken der B 311 finde ich zum ersten Mal das hilfreiche Radweg- Schild. Nun geht es – ich will es bis zuletzt nicht glauben! – in den Straßentunnel.
Dies Kulisse gibt – gelinde gesagt (Wer weiß?) – einen Vorgeschmack auf den Eingang ins Fegefeuer: Ein mit den erlaubten 80 km/h heranbrausenden LKW – mehr brauchst du nicht mehr! Der, von der Fahrbahn mit einer massiven Barriere abgegrenzte, Radstreifen ist überdies derart schmal, dass ich bei Gegenverkehr wohl stehenbleiben müsst; einen unkontrollierbaren Schlenkerer will ich keinesfalls riskieren. (Aus unerfindlichen Gründen blieb mir sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt die Probe aufs Exempel erspart.) Welch Erlösung, wieder unter freiem Himmel zu sein!
Der gut ausgeschilderte Radweg führt meist abseits der Hauptstraße in Weiler hinauf, durch Gewerbegebiete und vor allem durch Wiesen. Mit dem E-Bike ist dieses Auf und Ab kein Problem. Die Etappe von Dorfgastein nach Bad Hofgastein ist besonders gestaltet: Eine Kneippanlage und Stationen mit Schautafeln wollen Urlauberfamilien anlocken. Aber ich bin kein Urlauber, ich will hoch hinaus! Im Weiler Laderding, knapp vor Hofgastein, mache ich einen flüchtigen Blick auf mein Handy: Hier muss dann irgendwo auf der anderen Talseite die Bike-Route bergwärts leiten; und schon führt der Radweg an die Hauptstraße – nichts wie hinüber und über die Brücke.
Hier nach rechts ein paar Meter Richtung Bahnhof und dann dem Pfeil zum Brandebengut folgen – und man hat den Anschluss in die Bike-Route (die dann etwas später ausgeschildert ist) gefunden. (Mein Blick aufs Handy war allerdings zu hastig – somit ergab sich eine nette „Ehrenrunde“.)
Immer wieder staune ich, wie weitläufig die Besiedelung dieser Berghänge ist.
Nach dem Brandebengut gehört die Forststraße, deren Schotterbelag zweimal von Asphalt unterbrochen wird, nur mehr den Radfahrern und Berechtigten (und dem einen oder anderen Wanderer, den ich hoch zu Ross fast mit einem Anflug schlechten Gewissens „abstaube“).
Nach knappen zwei Stunden liegt der Wald unter mir, und weite Almflächen vor mir. Hinter der Kurve wartet die bewirtschaftete Schmaranzhütte. Mehr als 1100 Höhenmeter hat mich mein Bike getragen; für die nächsten 800 Höhenmeter sind nun die Füße zuständig.
Den Hundskopf (2.404 Meter) über den Ostgrat zu besteigen, dann die Überschreitung zum Kramkogel (2.454 Meter) und der Abstieg über den Ostgrat zum markierten Weg – dies ist der Plan, den ich gestern spätabends ausgeheckt habe. Mal sehen…
Der in der ÖK (Österreichischen Karte) eingezeichnete Zugweg entpuppt sich als von Kühen gut ausgetreten (Almauftrieb vor nicht allzu langer Zeit?).
Die Vegetation ist überaus üppig, das namengebende Rosa dominiert und nimmt mich ganz in seinen Besitz: Almrausch!
Es gilt, den besten Zustieg zum O-Grat, auf dem es angeblich ein Steiglein geben soll, zu finden. Ich folge dem Kuh-Trampelpfad bis an seine höchste Stelle, und schlängle mich dann durch Almrauschbüsche und Wiesenflecken dem Grat entgegen: Wirklich! Da ist ein Steig, der vom Guggenstein herüberzieht – der Plan wird gelingen! (Meine Empfehlung: vom Kuh-Trampelpfad die tiefste Stelle des Verbindungsgrats Guggenstein-Hundskopf anzielen; dann sind es nur 40 Höhenmeter wegloser Aufstieg.)
Blumenbukett um Blumenbukett begeistert mich.
Da stehe ich auch schon unter dem Gipfelkreuz und schaue zum Glockner hinüber. Es ist ¼ 12 Uhr.
Auch der Übergang zum Kramkogel stellt sich als gut begehbar heraus.
Am Gipfel steht eine Bank, das Kreuz ist etwas Richtung Rauris vorgeschoben. Da die Kuppe von Losungen verunreinigt ist und dementsprechend viel Gebrumme herrscht, genügt auch hier ein Blick in die Runde (und ein Eintrag ins Gipfelbuch).
Nun will ich den ausgeheckten Abstiegsweg erforschen und folge zunächst einige Meter der Markierung Richtung Seebachscharte, bis ich auf gut ausgetretenen Bändern (waren Gämsen, Schafe oder Menschen die Wohltäter?)
auf den Grat queren kann: nun liegen prächtige Wiesen vor mir.
Mehr aus Bequemlichkeit als aus Sicherheitsüberlegungen ziehe ich meine Snow-Spickes über die Schuhsohlen, suche die weniger dicht bewachsenen Stellen und finde auf den Graten immer wieder Steigspuren.
Nahe des markierten, augenscheinlich kaum begangenen Steiges zur Schwarzwandscharte, an einer Quelle, schlage ich mein Lager zur Mittagsrast auf: Essen, Trinken, Verdauungsschläfchen – Menschenherz, was willst du mehr!
Durch Erlenbüsche führt die Markierung in den Grund hinunter. Bei der Schmaranzhütte hat mein E- Bike treu gewartet (und sich in der Zwischenzeit mit einem Muskelbike angefreundet.)
Bei der Abfahrt mache ich noch einen Abstecher zur Biber-Alm – und freue mich dann auf die in den Schotter eingestreuten zwei Asphaltstücke. Unglaublich, welchen Vibrationen ein Drahtesel (und dessen Reiter) gewachsen sein muss. So ist mir der „Bürgermeisterblick“ willkommen, um die Hände (und die Nerven) zu entspannen. Ich blicke über das Tal, diese großartige Landschaft. Manche Namen wie Ankogel sind mir seit 50 Jahren vertraut; den Geheimnissen der Gipfel zu nahen, bin ich immer noch unterwegs. Der, der ich bin (geworden bin!), verdankt sich unter anderem auch dieser Landschaft, wie es Josef Weinheber so andachtsvoll sagt:
Das kann Dir niemand sagen, niemand deuten,
wenn es nicht heiß Dir aus dem Herzen rinnt.
Du bist verwandt mit Wiesen, Wald und Weiten.
Die Landschaft ist die Mutter, Du ihr Kind.
Beim Brandebengut schaue ich, wann die nächste S-Bahn nach Salzburg geht: von Schwarzach in nicht ganz einer Stunde, da sie verspätet ist. Ich will es versuchen…
Um diese Nachmittagsstunde begegnen mir im Tal – trotz der Hitze – wohl an die 70 Radler und Radlerinnen, die – teilweise nur mit Muskelkraft! – aufwärts treten!
Gottlob – den Tunnel hab ich hinter mir! Der Radweg nach Schwarzach führt in beachtlichem Auf und Ab (ohne E-Bike wären mir – fürchte ich – ob der Zeitknappheit Flüche entkommen) an Gehöften vorbei. Als ich – wenige Minuten nach der angegebenen Abfahrtszeit – im Bahnhof auf die Anzeigetafel schaue, ertönt aus dem Lautsprecher die Ansage, dass dieser Zug heute ausfällt; ich hab ihn also nicht verpasst!
In 35 Minuten, um 16:24 Uhr, fährt die nächste S3, sie steht schon da und empfängt mich – noch ganz leer! – mit ihrem angenehm gekühlten Fahrgastraum. Es ist Jausenzeit.
Einsame Runde in besten Almregionen: diese Gipfel werden offenbar selten und dann von der Rauris aus besucht. Wer möglichst auf markierten Wegen bleiben will, kann vom Kramkogel zur Seebachscharte absteigen und von dort zur Schmaranzhütte wandern (allerdings knapp 200 Höhenmeter Gegenanstieg); Wer kein eigenes E-Bike, das diesem „Aufstieg“ gewachsen ist, sein Eigen nennt, kann mit dem RJ nach Dorfgastein fahren und sich bei Sport Egger eines mieten. Wer solche Aufstiege mit dem Muskelbike bewältigt, vor dem ziehe ich meinen Radlerhelm!